Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.
     

Themabewertung:
  • 1 Bewertung(en) - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5

Inspirierende Texte
#31

Ein schöner Text rund ums Ego. :-)


http://www.sein.de/geist/persoenliches-w...s-ich.html 
Schnell-Zitat Zitieren
#32

Liebe Paulette,

ich denke nichts kann falsch daran sein mit dem Leben zu fließen. :-)
Und ein deutlicheres Indiz dafür, wie Zufriedenheit kann man ja imgrunde gar nicht haben.

Diese Sache sich in jedem Moment darüber bewusst zu sein, dass man ist, stammt ja mehr von Aaron, vielleicht mag er noch etwas dazu sagen.

Schön, dass es dir gut geht. Ich wünsche dir eine gute Zeit.
Schnell-Zitat Zitieren
#33

Mal was von Ken Wilber. :-)


Ego(losigkeit) - Ich - Selbst

(aus: Integrale Psychologie, Arbor Verlag 2001, S. 109)

Es gibt eine beharrlich andauernde Verwirrung in der Literatur darüber, ob man zum Beispiel das Ich im Verlaufe höherer Entwicklung behält oder verliert. Die meisten transpersonalen Forscher sagen von den höheren Stufen, sie seien "jenseits des Ich" oder "transegoisch", was zu implizieren scheint, daß man das Ich verliert. Aber diese Verwirrung ist fast nur semantischer Art. Wenn man mit Ich eine ausschließliche Identifikation mit dem persönlichen Selbst meint, dann wird diese Ausschließlichkeit zum großen Teil verloren oder in höherer Entwicklung aufgelöst - dieses "Ego" wird zum größten Teil zerstört (und die höheren Stufen werden korrekt transegoisch genannt). Wenn man mit Ich ein funktionales Selbst meint, das sich auf die konventionelle Welt bezieht, dann wird dieses Ich ganz entschieden behalten (und oft gestärkt). Ebenso, wenn man - wie die Psychoanalyse ? der Ansicht ist, daß ein wichtiger Teil des Ich die Fähigkeit zu distanzierter Selbstbeobachtung ist, dann wird dieses Ich mit Sicherheit behalten (und fast immer gestärkt). Wenn Enger sagt, daß "Meditation Ichstärke fördert", dann hat er absolut recht. Auch wenn man mit Ich die Fähigkeit der Psyche zur Integration meint - wie die Ich-Psychologie -, dann wird dieses Ich auch behalten und gestärkt. Kurz, die Ausschließlichkeit einer Identität mit einem gegebenen Selbst (Körper-Ich, Persona, Ich, Zentaur, Seele) wird mit jeder höheren Stufe des Selbstwachstums aufgelöst oder gelockert, aber die wichtigen funktionalen Fähigkeiten jeder Stufe werden behalten, (holarchisch) inkorporiert und oft in aufeinanderfolgenden Stufen gestärkt.

(aus: Einfach Das, Fischer Taschenbuch 2001)

Nun kann vielleicht die Tatsache, dass Ich, Seele und SELBST gleichzeitig gegenwärtig sein können, zu einem besseren Verständnis des Begriffs der "Ichlosigkeit" verhelfen, der immer wieder für große Verwirrung sorgt. Ichlosigkeit bedeutet jedenfalls nicht das Fehlen eines funktionellen Selbst (das wäre ein Psychotiker, kein Weiser); es bedeutet vielmehr, dass man nicht mehr ausschließlich mit diesem Selbst identifiziert ist.

Einer der Gründe, warum viele Menschen Schwierigkeiten mit dem Begriff "Ichlos" haben, liegt darin, dass sie alle ihre Phantasien von "heiligmäßig" oder "spirituell" auf ihre "ichlosen Weisen" projizieren, was üblicherweise bedeutet, dass diese dauernd gütig lächeln und vom Hals abwärts tot sein müssen, frei von fleischlichen Begierden und Gelüsten. Von all demjenigen, womit die Menschen üblicherweise Schwierigkeiten haben - also mit Geld, Essen, Sex, Beziehungen, Begierden -, sollen ihre Heiligen frei sein. "Ichlose Weise" sollen "über den Dingen stehen". Redende Köpfe sollen sie sein. Religion heißt für viele Menschen Befreiung von allen niederen Instinkten, Trieben und Bindungen, und deshalb erwarten sie von der Religion nicht Hilfestellung, wie man sein Leben mit Begeisterung leben kann, sondern vielmehr, wie man es unterdrücken und verleugnen, wie man ihm entrinnen kann.

Mit anderen Worten, die meisten Menschen wünschen sich einen spirituellen Weisen, der "weniger als eine Person" ist, der irgendwie frei ist von all den chaotischen, komplexen, pulsierenden, wirren, drängenden Kräften, die die meisten Leute umtreiben. Im Weisen soll all das nicht vorhanden sein, was einem selbst zu schaffen macht! Von allem, was einen selbst ängstigt, verwirrt, quält, soll der Weise unberührt sein. Dieses Nichtvorhandensein, dieses Freisein-von, dieses "Weniger-als-eine-Person-sein" versteht man oft unter "ichlos".

Aber "ichlos" bedeutet eben nicht "weniger als personal", sondern vielmehr "mehr als personal" - alle normalen personalen Eigenschaften und zusätzlich einige transpersonale. Man braucht ja nur an die großen Yogis, Heiligen und Weisen von Moses über Christus bis Padmasambhava zu denken: Dies waren keine schwächlichen Duckmäuser, sondern Leute, die etwas bewegten, die im Tempel die Peitsche schwangen und ganze Völker unterwarfen. Sie begegneten der Welt nicht mit frommem Augenaufschlag, sondern nahmen sie ganz konkret an; viele von ihnen entfachten tief greifende gesellschaftliche Revolutionen, die jahrtausendelang wirksam waren.

Sie konnten dies nicht deshalb tun, weil sie der physischen, emotionalen und mentalen Dimension des Menschseins und dem Ich auswichen, das deren Träger ist, sondern eben deshalb, weil sie diese Dimensionen mit einem Elan und einer Intensität ergriffen, die die Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Natürlich hatten sie auch Kontakt zur Seele (dem tieferen Psychischen) und dem Geist (dem formlosen SELBST), die der letzte Ursprung ihrer Durchschlagskraft waren, aber sie verliehen dieser Kraft Ausdruck und setzten sie in konkrete Ergebnisse nur deshalb um, weil sie die niedrigeren Dimensionen in einer spektakulären Weise nutzten, um sich in der Welt Gehör zu verschaffen.

Diese großen Welterschütterer hatten im besten Sinne des Wortes ein ausgeprägtes Ich, weil das Ich, der funktionelle Träger des grobstofflichen Reichs, neben der Seele (der Trägerin des Subtilen) und dem SELBST (dem Träger des Kausalen) existieren kann und existiert. Insoweit diese großen Lehrer im grobstofflichen Reich etwas bewegten, taten sie dies mit ihrem Ich, weil das Ich der funktionelle Träger dieses Reichs ist. Sie waren natürlich keineswegs identisch mit ihrem Ich (dann wären sie bloß Narzissten gewesen); sie hatten einfach entdeckt, dass ihr Ich Kontakt zu einem strahlenden kosmischen Ursprung hatte. Die großen Yogis, Heiligen und Weisen bewirkten nicht deshalb so viel, weil sie kriecherische Speichellecker waren, sondern große Persönlichkeiten mit einem ausgeprägten Ich, die Kontakt zum dynamischen Urgrund und Ziel des Kosmos selbst hatten, zu ihrem eigenen höheren SELBST, weil sie wach für den reinen Atman, das reine Ich-Ich waren, das eins mit Brahman ist. Sie öffneten den Mund und die Welt erbebte, fiel auf die Knie und erkannte ihren strahlenden Gott.

War die heilige Theresia eine große Kontemplative? Ja, aber sie war auch (man muss sich dies einmal bewusst machen) die einzige Frau, die jemals die ganze katholische klösterliche Tradition reformierte. Gautama Buddha erschütterte Indien in seinen Grundfesten. Rumi, Plotin, Bodhidharma, Yeshe Tsogyal, Lao-tzu, Platon, der Baal Shem Tov - diese Männer und Frauen lösten Revolutionen im grobstofflichen Reich aus, die Jahrhunderte und Jahrtausende wirkten, etwas, was weder ein Marx noch ein Lenin, weder ein Locke noch ein Jefferson für sich in Anspruch nehmen können. Aber dies gelang ihnen nicht deshalb, weil sie vom Hals abwärts tot gewesen wären. Nein, es waren Persönlichkeiten mit einem monumentalen, glorreichen, göttlichen Ich, die Kontakt zu einem tieferen Psychischen und dadurch wiederum unmittelbar zu Gott hatten.

Natürlich hat der Begriff der Transzendierung des Ich seinen Sinn. Aber er bedeutet nicht Zerstörung des Ich, sondern vielmehr dessen Hinführung zu etwas Größerem. (Nagarjuna sagte, dass in der relativen Welt Atman wirklich sei; in der absoluten Welt sei weder Atman noch Anatman wirklich. In beiden Fällen sei also Anatta keine zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit.) Das kleine Ich löst sich nicht in Luft auf: Es bleibt als funktionelles Zentrum der Aktivität im konventionellen Reich bestehen. Und wie schon gesagt, wird man durch den Verlust dieses Ich nicht zu einem Weisen, sondern zu einem Psychotiker.

"Das Ich zu transzendieren" bedeutet also in Wirklichkeit, das Ich in einer höheren und tieferen Umschließung zu transzendieren und einzuschließen, zunächst in der Seele oder dem tieferen Psychischen, dann im Zeugen oder ursprünglichen SELBST und dann, wenn man die vorangegangenen Stadien bewältigt und in sich aufgenommen hat, im Leuchten des Einen Geschmacks. Dies bedeutet also nicht, dass man sich von dem kleinen Ich befreit, sondern vielmehr, dass man ganz in es einzieht, es mit Begeisterung lebt, es als den notwendigen Träger sieht, durch den höhere Wahrheiten vermittelt werden. Seele und GEIST schließen Körper, Emotionen und Geist ein; sie löschen sie nicht aus.

Kurz: Das Ich ist nicht die Verhinderung des GEISTES, sondern vielmehr die strahlende Manifestation des GEISTES. Alle Formen sind nichts anderes als Leerheit, auch die Form des Ich. Man braucht keineswegs das Ich abzustreifen, sondern man muss es vielmehr mit einer gewissen Überschwänglichkeit leben. Wenn die Identifikation über das Ich hinausgeht und sich auf den Kosmos ausdehnt, entdeckt das Ich, dass der individuelle Atman in Wirklichkeit eins mit Brahman ist. Das große SELBST ist in der Tat kein kleines Ich, und soweit man auf dieses kleine Ich beschränkt ist, ist sehr wohl ein Tod und eine Transzendierung notwendig. Narzissten sind einfach Menschen, deren Ich noch nicht groß genug ist, um den ganzen Kosmos zu umfassen, weil sie versuchen, sich selbst zum Mittelpunkt des Kosmos zu machen.

Aber die Leute wollen nicht, dass die Weisen ein großes Ich haben; am liebsten wäre es ihnen, wenn sie überhaupt keine manifeste Dimension hätten. Wenn ein Weiser einmal sein Menschsein zeigt - im Zusammenhang mit Geld, Essen, Sex, Beziehungen -, dann sind sie geschockt, weil sie dem Leben überhaupt entrinnen möchten, statt es zu leben, und der Weise, der das Leben lebt, ist ein Ärgernis. Sie wollen hinaus, sie wollen aufsteigen, sie wollen entrinnen, und der Weise, der sich lustvoll ins Leben hineinbegibt, der es bis zur Neige auskostet, der jede Welle des Lebens ergreift und auf ihr bis zum Ende surft - ein solcher Weiser verstört sie zutiefst, erschreckt sie, denn dies bedeutet, dass auch sie sich dem Leben auf allen Ebenen mit Lust hingeben sollen, statt sich bloß in einer Wolke von leuchtendem Äther vor ihm zu verstecken. Sie wollen nicht, dass ihre Weisen einen Körper, ein Ich, Triebe, Vitalität, Sex, Geld, Beziehungen oder überhaupt Leben haben, weil eben dies sie dauernd quält, und sie wollen weg davon. Sie wollen nicht auf den Wellen des Lebens surfen, sie wollen die Wellen loshaben. Sie möchten eine Luftschloss-Spiritualität.

Aber der integrale Weise, der nichtduale Weise, zeigt uns einen anderen Weg. Er, der üblicherweise als "tantrischer Weiser" bezeichnet wird, sagt uns, dass man das Leben transzendieren muss, indem man es lebt. Er betont, dass man Freiheit durch Bindung erlangen muss, dass man das Nirvana mitten im Samsara finden, dass man die totale Befreiung durch vollständiges Sich-Hineinbegeben erlangen muss. Er betritt im vollen Bewusstsein die neun Kreise der Hölle, denn nirgendwo sonst kann man die neun Himmel finden. Nichts ist ihm fremd, denn es gibt nichts, das nicht der Eine Geschmack wäre.

Es kommt wirklich nur darauf an, dass man ganz im Körper und seinen Begierden, im Geist und seinen Ideen, im GEIST und seinem Licht zu Hause ist. Dass man dies alles vollständig, gleichmäßig und gleichzeitig annimmt, weil dies alles gleichermaßen eine Geste des Einen und Einzigen Geschmacks ist. Begib dich hinein in die Lust und beobachte ihr Spiel; nimm die Gedanken an und folge ihrem Glanz; lasse dich vom Geist verschlingen und erwache zu einer Herrlichkeit, für die die Zeit keinen Namen gefunden hat. Körper und Seele und Geist - alles ist gleichermaßen im allgegenwärtigen Gewahren enthalten, das der Grund der ganzen Darbietung ist.
Schnell-Zitat Zitieren
#34

Ich habe einen interessanten Text gefunden. Es ist die Beschreibung eines gesellschaft-und spirituell kritischen Buches von Tom de Toys, "Grundlose Inwesenheit", das kürzlich erschienen ist.


Grundlos? Inwesend? Und dann?
Versuch einer Rezension des Neuroatheismus
Von Pier Zellin (LDL-Pressesprecher)

Der Begriff "Inwesenheit" ist mir bereits von seinem gleichnamigen Gedichtband geläufig. Dort heißt es im Untertitel: Perinzendenz statt Transzendenz. Dieses Motto lässt sich auch auf das neue Buch "GRUNDLOSE INWESENHEIT" anwenden, in dem sich der Lyriker als delirischer Essayist erweist. Hier wird jede Form von Transzendenz als esoterisches Hirngespinst zum Platzen gebracht! In 22 "ekstatischen Essays" aus dem Zeitraum 1992 bis heute umkreist Tom de Toys in oftmals eigenwilliger Orthografie das nonduale Zentrum des Bewusstseins und referiert über soziologische und kosmologische Problemstellungen, die sich quasi automatisch aus seiner radikalmystischen Sicht der Dinge ergeben. Der Glaube an metaphysische Floskeln wie "Gott" und die "Liebe" wird hier psychologisch sabotiert, um ein bedingungsloses Mitgefühl für die totalreale Welt in sich zu erwecken. So heißt es 2012 in dem Text "JETZTSEITS STATT JENSEITS":

>>kein mensch hat jemals ein paradies oder ein nirwana gesehen, es sind bloß massenpsychistische konstruktionen der transzendentalen fiktionalität. ab jetzt zählt nur noch, was sinnlich konkret fühlbar und darum messbar ist: SINN wird nicht mehr im berüchtigten "jenseits" gesucht, LIEBE passiert als geteiltes ereignis anstatt als metaphysische fake-entität, SEELE, SELBST, GOTT und die LEERE werden ersatzlos aus allen fachlexika gestrichen.

Stattdessen erklärt De Toys die Fähigkeit des Menschen zur Rückkehr in eine projektionsfreie Selbstwahrnehmung, die den ideologielosen Blick auf die Wirklichkeit als "absolut wirkliche" ermöglicht. Der Autor läd dazu ein, ganz in der Gegenwart anzukommen, um die reale Welt als radikal "wahr" zu empfinden, ohne doppelten Boden, ja, ohne Boden überhaupt: grundlos. Diese Grundlosigkeit meint sowohl den Selbstzweck alles Seienden, ohne eine "letzte" Begründung zu benötigen, als auch die ontologische Bodenlosigkeit der Mystik. So heißt es 2015 in dem finalen Text "NEUROSMOG? DER ALLTAG ALS TAG IM ALL!":

>>Wer heute noch immer an Gott glaubt, hat die unendliche Leere noch nicht gespürt. Und wer nach einer mystischen Erfahrung weiterhin von Gott redet, der ist in sein kleines Ich zurückgefallen, weil er das Loch nicht verkraftet hat. Wenn du deinen Geist einerseits leer machst und dann wieder mit Neurosmog anfüllst, wirst du zum Esoteriker und kannst die diplomatische Laufbahn eines Gurus einschlagen. Als Heimkehrer ins Ich kannst du das Loch und die Leere vermarkten, als seien das Dinge, die man konsumieren kann. Aber ein Schüler der Leere merkt schnell, daß ihm das Loch zwischen den Fingern zerrinnt. Es ist wie Wasser - es plätschert dahin, ohne sich greifen zu lassen! Es ist, als ob du selber aus Wasser bestündest und durch dich selbst hindurch greifst. Dein Ich ist in Wirklichkeit das gesamte Zerfließen deiner Anwesenheit.

Mit diesen "neuroatheistischen" Statements über das angebliche Loch als eigentliche Mitte des Seins (und damit auch des Bewusstseins) schließt sich der Bogen zum Anfang des Buches, das mit dem Essay "LOCHISMUß" von 1992 beginnt. Hier heißt es bereits:

>>Deine nackte Anwesenheit west grundlos in sich selbst als Teil der Welt. / Keine Verwechslung mehr: Solange ich alles mögliche (und sei es noch so inneres) DU bin, bin ich nicht ICH. Erst das Ich, das ich nicht zum Gegenstand (meiner Betrachtung eines Du) machen kann, ist mein Zuhause. EIN HAUSLOSES ZUHAUSE. Das ewige DU OHNE DU, das ich bin ohne Ich, weil letztlich alles in der Verlorenheit vereinigt und identitätslos "da" ist.

Man spürt, wie sehr der Autor schon damals um Worte ringt, die das Unsagbare benennen sollen. Es ist wohl das Schicksal eines Mystikers, ganz gleich, ob er die Lyrik oder die Prosa als Medium wählt: Er bleibt der Sprache skeptisch gegenüber und versucht, Lügen in den Begrifflichkeiten zu enttarnen. Ziel dieser Essays ist immer wieder die Überwindung des symbolischen Denkens hin zu einem präsentischen Gespür für die Welt. Stellvertretend für viele andere Passagen im Buch heißt es 2015 in dem Text "OBJEKTFREIE ZONE":

>>Jede Sache wird zu ihrer eigenen innersten Sachlichkeit. Alles ist endlich ganz da. In sich. Als Bestandteil des Ganzen. Das Sein passiert endlich jetzt. In der Gegenwart. In sich selbst ruhend. Ganz anwesend. Grundlos. Inwesend.

Man meint, derlei spirituelle Phrasen schon oft genug gehört zu haben, doch ist dieses Buch eben nicht das Werk eines Esoterikers, sondern eines gesellschaftskritischen Freigeistes, der etwas schafft, was ich bislang in keinem Lebensratgeber fand: mit einem einzigen Neologismus sämtliche Ideologien ad absurdum zu führen und mit diesem schlichten Wort "Inwesenheit" unsere vielleicht verheerendste Volkskrankheit, die Abwesenheit (das Leben in symbolischen Illusionen), an der Wurzel zu packen. Für mich gilt dieses Buch heute schon als Standardwerk der Bewusstseinserweiterung. Ich bin gespannt, ob sich der Neuroatheismus des Autors in einer neuen Generation bemerkbar machen wird, die nicht mehr die meiste Zeit ihres Lebens damit verbringt, auf das Display ihres Smartphones zu starren. Die Sehnsucht nach einem anderen Umgangston unter Menschen aus dem Geiste der inneren Freiheit zeigt sich besonders in einer Passage des Textes "SPIRITUELLE DEMENZ" von 2014:

>>Ich vermisse die menschen, deren subtile seelen nicht vom gemurmel der religionen absorbiert sind. Die menschen, deren privat subversive sehnsucht nicht von den angeboten der unterhaltungsindustrie assimiliert ist. Ja, jene, die sich nicht mit dem produzieren und konsumieren zufrieden geben sondern die globale zwanghaftigkeit überwinden und geistig im niemandsland des boykotts ihrer herzen auftauchen. Das niemandsland der verweigerer und versager. Der spirituellen anarchisten. Der menschen, die nicht mehr falsch spielen wollen. Die nicht mehr die kostbare lebenszeit mit den modernen beschäftigungstherapien verschwenden wollen. Die innehalten und stehenbleiben. Die sich ihre augen ausreiben und wundern, warum dieser quatsch immer weiter und weiter läuft wie das debile programm auf allen kanälen im fernsehen.

So verbindet das Buch "GRUNDLOSE INWESENHEIT" von Tom de Toys Spiritualität mit Gesellschaftskritik, ohne sich auf eine neue "tröstende" Ideologie zu stützen. Ist die Zeit reif für eine derart gnadenlose geistige Freiheit? Man möchte es heutzutage vorallem Politikern wünschen, um mehr Mitgefühl für die Nöte der Menschen zu zeigen. Wer ganz "grundlos" im Hier und Jetzt ankommt, verschanzt sich nicht länger hinter Ausreden und Notlügen. Inwesend sein, bedeutet zu kommunizieren. Bedeutet in totalem Kontakt zu stehen anstatt sich im unekstatischen Ego einzukapseln. Eine große Herausforderung für den heutigen Mensch, der noch nicht einmal bemerkt, wie abwesend und abgelenkt er eigentlich ist. Immun gegen lebensphilosophische Grübeleien. Perinzendenz statt Transzendenz? Erstmal eine neue App installieren und Pizza statt Perinzendenz bestellen...

Tom de Toys: GRUNDLOSE INWESENHEIT - 22 Ekstatische Essays 1992-2015

Originalausgabe, BoD Verlag 2015
Lieferbar über:
www.neurogermanistik.de 

ISBN 9783738627442, 72 Seiten, 16 Euro


Ab August 2015 im Buchhandel - Leseproben:



www.NEUROSMOG.de 


www.INWESENHEIT.de 


www.NEUROATHEISMUS.de 
Schnell-Zitat Zitieren
#35

Ich und Nicht-ICH - Das evolutionäre Selbst, frei nach Robert Kegan


Auf das mystische Erleben der Ich-Losigkeit wird aus vielen konzeptuellen Perspektiven geschaut. Allgemein bekannt sind hier zum Beispiel die »anatta-Lehre« im Buddhismus und auch die verschiedenen Sichtweisen des klassischen »Advaita vedanta« und des so genannten »Neo-Advaita«. Ihnen gemein ist der Ansatz, auf die Formlosigkeit des Ich-Erlebens beziehungsweise das Aufgehen des Ichs im All-Einen hinzuweisen.

Einen ganz anderen Versuch unternehmen die Stufenmodelle von Entwicklungs-Theoretikern: Ihnen geht es in ihren Konzepten um die Wandlung der Ich-Erlebens-Formen im menschlichen Lebenslauf. Eines davon möchte ich hier mal heraus greifen, weil ich es phänomenologisch besonders gut einfühlbar finde: „Die Entwicklungs-Stufen des Selbst“ von Robert Kegan. Er zeichnet sein entwicklungspsychologisches Modell als aufsteigende Spirale, die durch 6 verschiedene Stadien führen kann.

Die 6 Stufen nennt er Subjekt/Objekt-Gleichgewichtszustände. Was ist damit gemeint? Robert Kegan unterscheidet die wichtigen Etappen in unserem Ich-Erleben danach, welche Wahrnehmungen und Erlebnisse wir jeweils als zu uns gehörig, subjektiv oder »meinhaft« erleben und was uns als objektiv, und nicht zu uns gehörig, erscheint. Auf alles, was einem Subjekt als ein Objekt vorkommt, kann es Bezug nehmen.

Entwicklungspsychologen gehen heutzutage davon aus, dass bei einem Neugeborenen alle Wahrnehmungen in einem subjektiven Raum auftauchen und noch keine Unterschiede zwischen »innen« und »außen« gemacht werden. Hunger, der von innen kommt, wird ähnlich unangenehm erlebt, wie zum Beispiel grelles Licht, das von außen auf es einwirkt. Genauso ist es mit angenehmen Erlebnissen. Diesen Gleichgewichtszustand nennt er die Stufe 0 bzw. das »einverleibende Selbst«. Die Außenwelt wird hier völlig ins Ich-Erleben integriert oder anders ausgedrückt: Alles ist »ich«, es gibt noch kein »du«.

Stufen 1 bis 4 – die »normal-menschliche« Entwicklung

Die Stufen 1 – 4 in Kegans Modell könnte man grob mit »Kleinkind« (1: impulsiv), »Schulkind« (2: autonom), »Jugendlicher« (3: zwischenmenschlich) und »Erwachsener« (4: institutionell) betiteln. Ihre Organisationsformen unterscheiden sich vor allem dadurch, dass sich die Grenze zwischen wahrgenommenem »ich« und erlebtem »nicht-ich« immer weiter nach innen verschiebt: Der als »zum ich gehörige« Teil des Erlebens wird also im Laufe des Lebens immer kleiner, die Bezugs-Welt (Objekt-Bereich) dieses »ich« immer größer.

Robert Kegan beschreibt in seinem Modell eindrucksvoll, wie sehr die jeweilige Ich-Stufe, die Wahrnehmung (Konstruktion) unserer Innen- und Außenwelt verändert. Ein Kleinkind (Stufe 1) erlebt sich noch in einer sehr raumgreifenden Innenwelt, die von Emotionen und Impulsen geprägt ist. Seine Außenwelt tritt vornehmlich als Erfüllungsgehilfe seiner Wünsche, bzw. grenzsetzende Instanz in Erscheinung. Für das Schulkind (Stufe 2 - autonom) hat die soziale Umgebung schon eine viel größere Reichweite: Da gibt es neben der Kleinfamilie Gleichaltrige (eine peer-group), mit denen man sich arrangieren muss und Autoritätspersonen wie Lehrer fordern erste gesellschaftliche Anpassungsleistungen. Der Jugendliche (Stufe 3) entdeckt und erlebt das »Du« als bedeutungsvolles zwischenmenschliches Gegenüber, und die Freude und das Leid, das ihm dort Angenommen-Sein und Zurückgewiesen-Werden bereiten können.

Als die besondere Errungenschaft des Erwachsenen-Alters stellt Kegan heraus, dass sich hier das »Ich« zum ersten Mal als eine »Institution« erlebt: Die Bedeutungsentwicklung erreicht hier „eine Stufe, auf der das Selbst einen stimmigen Zusammenhalt auch dann wahrt, wenn es an verschiedenen Beziehungen mit anderen beteiligt ist; damit erlangt das Selbst Identität. Kennzeichnend für dieses Selbst ist die eigene Autorität - wir haben nun ein Selbstempfinden, wir besitzen Selbstständigkeit, wir gehören uns selbst. Nicht mehr »ich bin meine Beziehungen«, sondern »ich habe Beziehungen«. Das neue Ich ist die Instanz (Institution), die dieses Haben verursacht.“ Gefühle werden nun „durch einen übergeordneten Bezugsrahmen relativiert, nämlich durch die psychische Institution und durch zeitgebundene Konstruktionen wie Rolle, Norm, Selbst-Konzept, Selbst-Kontrolle, die diese Institution aufrechterhalten.“ (S. 141/142)

Entwicklung bedeutet Wandel und Umbruchskrisen

An der wiederholten Verschiebung der Ich-Grenzen wird schon deutlich, wie wenig Sinn es macht, das »Ich« als eine feststehende Instanz zu betrachten. In dieser Sichtweise ist es ein sich ständig wandelnder Bezugspunkt. Den Begriff »Mensch« definiert Kegan als »eine immer fortschreitende Bewegung, die ständig einer neuen Gestalt entgegenstrebt« (S. 27).

Die Umbrüche und Wandlungen der Stadien im »Selbst-System Mensch« verlaufen immer krisenhaft, wie er eindrucksvoll aufzeigt. Die »Krise« wird hier also als ein Normalfall betrachtet, der immer dann eintritt, wenn eine Organisationsform sozusagen ausgedient hat und im Lebensfluss durch eine neue ersetzt werden wird: Das Alte greift nicht mehr recht, das Neue ist noch nicht stabil vorhanden. Kegan lehnt sich dabei an den bekannten Schweizer Pädagogen Jean Piaget an, der das in vielen eindrucksvollen Experimenten für die kognitive Entwicklung des Menschen nachgewiesen hat.

In den instabilen Übergangsphasen ist auch die Wahrnehmung und Konstruktion des Bedeutungssystems variabel: Mal wird die Wirklichkeit nach dem alten Bezugsrahmen interpretiert, dann wieder nach dem neuen. Immer braucht es einiges an Einübung, bis sich ein neues Gleichgewicht auf neuem Niveau stabilisiert hat. Die Übungsaufgaben stellt das Leben selbst. Einem Kind muss niemand sagen, wie es etwas zu lernen hat. Seine Entwicklung wird – wenn keine Störeinflüsse eintreten – von einem inneren, natürlichen und schöpferischen Prozess geführt, der nach einem »Stirb-und-Werde-Prinzip« abläuft.

Die Entwicklung zum überindividuellen Gleichgewicht – Stufe 5

Aus der Perspektive des an spirituellen Themen interessierten Erwachsenen erfährt im Entwicklungsmodell Robert Kegans der Übergang zur Stufe 5 ein besonderes Augenmerk: Was passiert den nun hier in der Bedeutungsbildung unserer Ich- und Selbstbezüge, wenn eine als Identität erlebte innere »Institution« abdanken muss und durch welches neue Gleichgewicht wird sie dann eigentlich ersetzt?

„Nun beginnt man mit dem Entwurf einer Weltanschauung, welche Widersprüche und Gegensätze integrieren und sich nach mannigfaltigen Denksystemen richten kann. Zunehmend sieht man ein, dass es bei dem »Projekt Leben« nicht darum geht, den Fortbestand einer bestimmten Form des Selbst zu verteidigen, sondern um die Fähigkeit, das Selbst an sich buchstäblich transformativ sein zu lassen. Das Selbst könnte man als eine Art Durchschreiten verschiedener Bewusstseinsformen beschreiben und nicht als die Identifizierung mit einer dieser Formen, die es dann zu verteidigen gilt.“

Das Verlassen der institutionellen Stufe des Erwachsenen-Ichs bedeutet also in diesem Modell die Des-Identifikation von jeglicher Form und das Zulassen eines sich ständig-wandelnden Bewusstsein. Am Anfang der Übergangsphase dorthin werden alle Formen erstmal verlassen und aufgelöst, um sie dann in eine neue Perspektive zu re-integrieren. „Wenn man sich dieser konstruktiv-transformativen Seite annähert, dann erlangt man die Fähigkeit, mit all jenen Ideologien erneut in Beziehung zu treten und zu erkennen, dass sie alle unvollständig und einseitig sind.“

Entmystifizierung der Ich-Losigkeit

Die laufende Um-Organisation unserer Selbst-Wahrnehmung und das Eintreten in ein Bewusstsein, in dem sie mit keiner Form mehr identifiziert ist, wird hier also als ganz natürliche Entwicklungsmöglichkeit im Erwachsenenalter betrachtet. Kein mystischer Hokuspokus, kein Besonders-Sein! Allerdings haben Kegans Forschungen auch ergeben, dass nur etwa 20% der erwachsenen amerikanischen Bevölkerung überhaupt die vierte Organisations-Stufe (die erwachsene Ich-Organisation!) erreicht haben und nur ein verschwindend geringer Anteil davon, sich darüber hinaus entwickeln kann. Ein voll verwirklichtes überindividuelles Ich-Bewusstsein kann er selbst sich nur mühsam vorstellen, eine Entwicklung darüber hinaus nicht mehr (vgl. WIE-Interview).

Entwicklung zur Selbst-Losigkeit

Die höchste Gleichgewichts-Stufe in diesem Modell kennt keine Grenze mehr zwischen Subjekt und Objekt und sie umfasst die Errungenschaften aller vorherigen Stufen. Ein Kreis schließt sich. Diese Integration enthält auch den Säugling, das Kleinkind, das Schulkind, den Jugendlichen und den Erwachsenen in uns. Selbst-Losigkeit bedeutet, mit keinem davon identifiziert sein – schon gar nicht mit dem, vom Leben verletzten und bedürftig gebliebenen, kindlichen Anteil.

Gleichzeitig beinhaltet sie die Vielfalt aller menschlichen Seins-Weisen: Hingebungs- und vertrauensvoll wie ein Säugling, impulsiv und abgrenzend wie ein Kleinkind, die Außenwelt erobernd wie ein Schulkind, sich der Leidenschaft und Beziehungen hingebend, wie ein Jugendlicher, verantwortungsvoll und gesellschaftliche Rollen übernehmend wie ein Erwachsener.

Alles zu seiner Zeit!



http://archiv.connection.de/index.php/co...Itemid=184 
Schnell-Zitat Zitieren
#36

Was ich eben fand, eine ganzheitliche Beschreibung, einfach klasse!
"Nondualität
Advaita und Neo-Advaita"


http://erleuchtung.at/2016/03/nondualitaet/ 
Schnell-Zitat Zitieren
#37

das teralemma lässt jetzt auch bei eddi grüßen . Big Grin
Schnell-Zitat Zitieren
#38

Besser und allumfassender kann man es kaum ausdrücken, für meinen Geschmack.

Thomas sollte das unbedingt auch lesen,
falls du es noch nicht getan hast, Thomas. :-)




Schnell-Zitat Zitieren
#39

Liebe Paradoxa
Ich habe es nun auch gelesen und finde das beschriebene auch gut formuliert.
Bis dato wusste ich zwar nicht einmal, was "Advaita und Neo-Advaita" eigentlich ist/meint.
Aber jetzt wo ich es weiß, weiß ich auch, das ich es schon vorher wusste.lölö
Nur nicht unter dem Namen "Advaita"
Schnell-Zitat Zitieren
#40

Prima, lieber Koman. Das freut mich. :-)
Schnell-Zitat Zitieren


[-]
Schnellantwort
Nachricht
Gib hier deine Antwort zum Beitrag ein.




Möglicherweise verwandte Themen…
Thema / Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste