(30.08.2017, 14:20)Martin schrieb: Zitat Thomas:
Zitat: Oh nein, das stimmt so nicht, Gott sei Dank. Es würde bedeuten, dass man seinen Emotionen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert wäre. Jede Therapie wäre von vorneherein sinnlos. Zwar ist dieses Reagieren, wie du es beschreibst, beim allergrößten Teil aller Menschen tatsächlich unbewusst und in ihrem derzeitigen Zustand nicht steuerbar. Das heißt aber nicht, dass es keine andere Möglichkeit geben würde. Wer gelernt hat, sich selbst permanent zu beobachten, findet eine Intelligenz vor, die blitzschnell und quasi verzögerungsfrei eine angemessene Reaktion ermöglicht.
Unkontrollierbare Reaktionen sind die Folge von Identifikation mit einem Geschehen und bringen Reaktionen hervor, die einer Situation überhaupt nicht angemessen sind sondern die nichts weiter darstellen als das Ausleben gelernter oder gewohnter Reaktionen. Ärger z.B., der bekanntermaßen keinerlei positive Auswirkung haben kann sondern lediglich eine Verpuffung von Energie darstellt wie ein Knallfrosch, entsteht erst gar nicht, wenn man sich in einer beoabachtenden Haltung befindet und eben deshalb das "Aufblühen" der Emotion im Entstehungsprozess bemerkt und abweist. In diesen Zehntelsekunden des Bemerkens kann eine Entscheidung getroffen werden, die emotionale Ausbrüche zum Erliegen bringen, bevor sie sich überhaupt entwickeln. Auch im Gehrin passiert hier etwas anderes: Während im Falle des Kontrollverlustes die Verarbeitung sinnlicher Eindrücke sofort das limbische System (Emotion, Trieb) aktivieren, werden sie im Falle von Selbstwahrnehmung zunächst dem Neokortex zugeführt, der sie prüft.
Fälschlicherweise wird das von vielen als Verdrängung gesehen, aber Verdrängung ist etwas ganz anderes - nämlich das Unterdrücken von Emotionen, die sich bereits entwickelt haben. Dem liegt keine Entscheidung zugrunde sondern z.B. Angst - also ein Kampf sich widersprechender Emotionen.
Was du beschreibst, ist die Bewusstseinsstufe des Tieres. Der Mensch hat andere Möglichkeiten, sofern er sie nutzen will. Und die besteht darin, sich seiner selbst bewusst zu sein - mit allen Gedanken und Emotionen und Gefühlen. Das ist eine hochpotente Möglichkeit.
Hallo Thomas,
was du beschreibst ordne ich genau so der langfristig gefühlten freien Entscheidung zu, wie die Verarbeitung nach der emotionalen Beeinflussung. Nur das du hier die Möglichkeit aufzeigst im Vorfeld schon das entsprechende Potential zu nutzen.
Ein wesentlichen Einfluss, wie wir auf eine Situation reagieren, hat unsere Konditionierung. Schon im Vorfeld an sich zu arbeiten kann man vielleicht Selbstkonditionierung nennen und es ist ja auch grundsätzlich nichts falsch daran, aber das Selbst ist in diesem Sinne als ein Ich zu sehen, das in letzter Konsequenz keine eigenständige Instanz darstellt. Schon ob wir geneigt sind an einer Therapie teil zu nehmen oder in irgend einer Form gewillt sind uns nach bestimmten Vorstellungen zu erschaffen liegt unserem Wesen in tausend Punkten zu Grunde, für die es eindeutig keine persönliche Urheberschaft gibt.
Im Kern bleibt es das selbe Spiel. Du wirst spontan so reagieren, wie es die Voraussetzungen bestimmt haben. Das kann ein sofortiges Umschalten, wie du es beschreibst, ausdrücklich einschließen. Ich sehe da keinen Widerspruch.
Hallo Martin,
grundsätzlich geschieht jedem nach seinen Überzeugungen - man kann auch ruhig Wünsche dazu sagen. Und ja, von der Ebene des Selbst betrachtet gibt es keine Entscheidungsmöglichkeit weil auf dieser Ebene bereits alles geschehen ist bzw. so etwas wie ein "Geschehen" auch keinen Sinn macht. Wirklichkeit ist Wirklichkeit, die geschieht nicht.
Das ist aber ausdrücklich nicht so auf der Ebene der Illusionen bzw. der Ebene des Geschehens. Weder Gott noch das Selbst oder wie immer du auch diese Ebenen bezeichnen willst, wissen überhaupt von Illusionen oder zeitlichen Abläufen. Wenn man daraus nun schließen würde, dass alles vorherbestimmt ist, wäre das ein Missverständnis. Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, dass diese Wünsche oder Überzeugungen von Gott oder dem Selbst kommen.
Zitat:Ein wesentlichen Einfluss, wie wir auf eine Situation reagieren, hat unsere Konditionierung. Schon im Vorfeld an sich zu arbeiten kann man vielleicht Selbstkonditionierung nennen und es ist ja auch grundsätzlich nichts falsch daran, aber das Selbst ist in diesem Sinne als ein Ich zu sehen, das in letzter Konsequenz keine eigenständige Instanz darstellt.
Konditionierungen kommen nicht von außen, es sind Glaubenssätze und sie können duchbrochen werden, indem man den Glauben an sie aufgibt oder loslässt. Wenn jemand es so darstellt, dass seine schlimme Kindheit darin bestand, dass man ihn durch falsche Behandlung nun konditioniert habe, dann wird etwas ganz Wesentliches dabei außer acht gelassen. Ganz unabhängig davon nämlich, ob ein Kind zu einer differenzierten Betrachtung der Dinge unfähig war oder nicht, ist es der Erwachsene auf jeden Fall. Und er wird dann z.B. in einer Therapie feststellen, dass er ungeprüft an einer bestimmten Sicht der Dinge festhalten will. Gibt er diese auf, lösen sich auch seine Probleme auf, von denen er sagt, sie seien durch Konditionierung nun mal entstanden und daher nicht zu ändern.
Was du Selbstkonditionierung nennst, nenne ich lieber nicht so, weil es dabei eben nicht darum geht, die Überzeugung A durch Überzeugung B zu ersetzen, sondern darum, den ganzen Vorgang schlicht für bedeutungslos zu erklären. Er liegt weit in der Vergangenheit und hat keine Auswirkungen im Jetzt, es sei denn, du willst es so. Und dann wird die Zukunft zu einer Kopie der Vergangenheit.
Die Entscheidung, dich auf dich selbst zu besinnen und zum Beobachter deiner selbst zu werden anstatt jedem aufkommenden Gefühl, Gedanken oder Emotion hinterher zu rennen (das ist die Vergangenheit) und auf sie zu reagieren ist die einzig mögliche Entscheidung (die nicht darauf abzielt, etwas ändern zu wollen sondern es zur Veränderung frezugeben). Entweder trittst du aus der Vergangenheit heraus oder du bleibst in ihr. Und je nach dieser Entscheidung werden sich die Dinge so oder so entwickeln. Man könnte sagen, du hörst immer auf einen von zwei Ratgebern. Deshalb ist es auch nicht so, dass ich an die Stelle des Ärgers (ein Beispiel) bewusst etwas anderes setze. Ich entscheide mich lediglich dafür, ihn ersetzen zu lassen. Es ist die Entscheidung für die Intuition. Und die Intuition tritt dann auf, wenn du den Raum dafür freimachst. Es ist eigentlich sehr einfach und wirkt nur beim Erklären komplex.