20.12.2015, 23:20
Zitat:Ok, was machst du denn dann in dem Beispiel der Gruppe das ich nannte, und im Beispiel des Vertragsbruchs, sowie der Situation mit den zu lauten Nachbarn und dem Chef, anschließend?
Ganz konkret.
Gruppe:
Wenn klar geworden ist, dass es eigentlich meine Verletztheit ist, die das Problem darstellte, verändert sich die ganze Situation.
Ich bin nun nicht mehr "darauf aus", dass man mir zuhört um nicht verletzt zu werden sondern nur deshalb, weil ich auf der Sachebene etwas beitragen möchte. Gelingt das nicht, macht es nichts.
Ich habe vorher vielleicht ärgerlich gesagt: Jetzt lass mich doch mal ausreden! Oder ich habe mich schmollend und mit verschränkten Armen gegeben. Glaub mir, dass das bemerkt wird! Und hier kommt etwas zum Tragen, das einem die Lebenserfahrung bestätigt: Das, was man unbedingt will, bekommt man nicht. Lässt man es los, bekommt man es mit Leichtigkeit.
Die Verärgerung hat sich auf die anderen übertragen, sie wurde bemerkt. Das löst in den anderen Gruppenmitgliedern ebenfalls Verärgerung aus - eine Spaltung entsteht.
Vertragsbruch:
Um diesen zu bemerken, ist kein Ärger nötig. Im Gegenteil wird es so sein, dass man dazu neigt, sich unnötig aggressiv aufzuführen und erzeugt so einen Trend der Eskalation. Zudem, wenn man im Freiden bleiben kann, erscheint der Vertragsbruch möglicherweise auch wenig wichtig oder sogar gar nicht wichtig. Dann nehme ich ihn hin und lasse die Sache auf sich beruhen. Es geht ja schließlich nicht darum, zu bestrafen oder sich als Richter aufzuführen. Ja, ggfs. ist eine Klage angebracht. Ärger brauche ich auch dazu nicht.
Laute Nachbarn:
Boahhh Unverschämtheit! Um diese Zeit so ein Lärm!!
Meist ist es hier genau das Gefühl, dass jemand meine Grenzen überschreitet und mich aufkochen lässt. Aber ich kann die Grenzen auch anders ziehen, wenn ich das will.
Ist der Ärger erst mal da, bringt er das Gefühl der Empörung gleich mit und den Impuls, dass sofort etwas unternommen werden muss, um diese Unverschämtheit abzustellen.
Auch hier gilt: Nicht ärgerlich zu werden ermöglicht völlig andere Lösungswege. Geht man ärgerlich zum Nachbarn, merkt der das sofort und die Gefahr ist groß, dass es zu einer Eskalation kommt.
Ich sage mir dann als erstes immer: Ich fühle zwar gerade, dass dies gegen mich gerichtet ist, aber wissen tue ich es nicht. Es ist eine Annahme. Wahrscheinlicher ist, dass der Nachbar nicht weiß, dass er zu laut für mich ist.
Sehr oft relativiert sich durch eine solche Herangehensweise das Problem schon ganz erheblich und oft ist es dann keines mehr.
Kann ich nicht mehr richtig schlafen oder meine kleinen kinder oder kann ich mich nicht mehr ungestört unterhalten, handele ich. Ich erkläre dem Nachbarn ruhig das Problem. Ändert sich nichts, kann ich versuchen, ein weiteres Gespräch zu führen. Aber es gibt Menschen, die rücksichtslos sind und die es nicht interssiert, ob sie Probleme verursachen.
Dann hilft nur abwägen. Wie wichtig ist mir das Problem? Kann ich vielleicht doch damit leben? Ziehe ich besser aus? Aber einen Kleinkrieg würde ich niemals führen. Der würde meine Lebensqualität eindeutig mehr beeinträchtigen als das Problem selbst.
Chef: Spare ich mir, da würde ich ganz ähnlich antworten.
Für mich gilt immer: Ärger verringert die möglichen Optionen und birgt immer die Gefahr einer Eskalation. Einzige Ausnahme wäre die Gewissheit, dass ich es mit jemandem zu tun habe, der nur auf Ärger reagiert. Dann würde ich mich ärgerlich geben. Aber das ist noch nie vorgekommen.
Weiter gilt für mich: Innere Ruhe und Frieden sind meine wichtigsten Ziele und meine höchsten Werte. Ich setze sie nicht durch Ärger aufs Spiel. Lieber habe ich nicht recht, werde halt verarscht und "verliere" in den Augen konventioneller Sichtweisen. Ich für mich weiß, dass ich gewinne.
Zitat:"Ärger entsteht, wenn jemand über meine Grenzen geht oder nicht zulässt, dass ich meine eigenen Grenzen erweitere", definiert die Wissenschaftlerin, "Ärger lässt sich gut nutzen, um zu erkennen, was falsch läuft. Man spürt Energien, um etwas zu verändern."
Diese Aussage ist für mich einfach nicht stimmig. Ich bestreite schlichtweg, dass Ärger ein notwendiges Instrument dafür ist um zu erkennen, dass etwas falsch läuft. Ärger zeigt nur an, dass man sich angepisst fühlt und sonst nichts. Und genau dann denkt man, es laufe etwas falsch. Würde man eben nicht ärgerlich werden, wäre da auch nicht das Gefühl, dass etwas falsch läuft. Was meinst du, wie viele Dinge plötzlich einfach akzeptabel werden, wenn man sich nicht mehr über sie aufregt! Was hat man dann verloren? Nichts, man hat was gewonnen.
Was läuft denn genau falsch, wenn Katzenscheiße herumliegt? Der Ärger selbst ist das Problem, nicht die Katzenscheiße. Solche Überlegungen vermisse ich einfach bei Aussagen wie dort oben. Wenn ich Katzenscheiße dort nicht akzeptieren kann, räume ich sie weg. Wozu brauche ich um Himmels Willen zur Katzenscheiße denn noch Ärger?
Was ist denn mit den vielen Leuten, die sich über jede Kleinigkeit aufregen können? Glaubst du wirklich denen wird angezeigt, dass etwas schief läuft? Was da schief läuft ist, dass ihr Ego sie am Wickel hat, sonst nichts.
Du liebst deinen Ärger, deshalb verteidigst du ihn. Du glaubst fest daran, dass er für dich eine wichtige Funktion erfüllt. Aber alles was eintritt, wenn man ihn verlernt (und das kann man!) ist Erleichterung und Befreiung. Da wird nichts nicht mehr bemerkt. Im Gegenteil fällt die Einengung des Denkens und Fühlens durch Ärger weg. Man hat mehr Optionen, findet intelligentere Lösungen, ist nicht mehr abhängig davon, dass alles klappt. So vieles wird akzeptabel und darf so sein, wie es halt ist. Warum eine persönliche Sache daraus machen?
Ärger versklavt dich und du stimmst dem zu. Entzieh dem Ärger deinen Segen und schick ihn zur Hölle, von wo er kommt. Du wirst profitieren!