22.12.2015, 19:13
Zitat:Und um unsere Erwartungen als solche zu erkennen, bedarf es schon einer gehörigen Portion Achtsamkeit, insbesondere man zu lernen hat, wann mein Ärger berechtigt, "konstruktiv" und wann mein Ärger "destruktiv" ist - dass wir auf der individuellen Ebene erstmal lernen und uns erlauben müssen, dass wir Erwartungen haben dürfen! Dass wir sie unterscheiden lernen als berechtigt oder unberechtigt... ob unsere Erwartungen an unsere Mitmenschen gesund oder ungesund sind, d.h.ob sie neurotisch bedingt oder ob es sich um eine gesunde Selbstbehauptung und Abgrenzung handelt.
Aha, wir dürfen Erwartungen haben? Geht es doch nicht darum, die Dinge zu nehmen, wie sie sind?
Eine gesunde Selbstbehauptung, gesunde Abgrenzung?
Das alles sind klar Ego-Konzepte. Und ich sage es gerne noch einmal deutlich: Auf der Ego-Ebene sind all diese Dinge logisch. Da muss es Ärger geben, wenn jemand meine Grenzen überschreitet, denn dazu sind sie ja da, dass man sie dann verteidigt, wenn jemand drübergeht.
Ich aber habe die ganze Zeit über eben nicht davon gesprochen, wie ich auf der Ego-Ebene bleibe sondern davon, wie ich sie überwinden kann.
Daher verstehe ich auch diesen aggressiven Unterton überhaupt nicht, denn wie oft haben wir hier nun schon über diese Dinge diskutiert - Ego, Selbst etc. pp. ? Und dann, wenn es um die Praxis geht, die Ego-Ebene zu schwächen, heißt es plötzlich, das ginge alles gar nicht und nur Gegenrede, Gegenrede. Dabei beziehe ich mich ja nicht einmal auf Ideen, die auf meinem Mist gewachsen sind sondern habe Dinge im Kopf wie "Wenn dir jemand auf die linke Wange schlägt, biete ihm auch die rechte dar".
Ja wenn das alles Utopien sind und wir dagegen zu lernen haben, uns abzugrenzen, warum diskutieren wir dann über Spiritualität? Dann ist sie doch nichts als ein utopisches Gelaber, das wir zur Unterhaltung nutzen.
Zitat:Dass wir sie unterscheiden lernen als berechtigt oder unberechtigt... ob unsere Erwartungen an unsere Mitmenschen gesund oder ungesund sind
Das ist doch Blödsinn, denn wie wollen wir denn gesund von ungesund unterscheiden? Wenn wir gesund wären, wären wir selbstverwirklich - nur das ist gesund. Wenn wir gerne was von den anderen wollen, erscheint uns das immer als gesund. Jede Erwartung drückt aus, dass uns etwas fehlt. Jeder Wunsch drückt aus, dass uns etwas fehlt. Was fehlt uns denn? Was ist das, was wir gerne durch unsere Erwartungen bekommen möchten aber nie bekommen? Wer sich so lange mit Spiritualität befasst, der darf sich doch nicht so überrascht von diesem Gedanken zeigen, dass Erwartungen und in Folge enttäuschter Erwartungen eben Ärger genau diese innere Leere ausdrücken und dass daher Erwartungen das Problem nie lösen werden.
Also klar, jeder hat dazu eben seine Meinung, aber dass in dieser Einhelligkeit Ärger und Erwartungen nicht prinzipiell in Frage gestellt werden können - so als könne man ohne die gar nicht leben -, das überrascht mich erheblich, muss ich sagen. Ich erkenne zum Teil die Menschen gar nicht mehr wieder, mit denen ich jetzt seit Jahren diskutiere. So, als hätten diese früheren Gespräche nie stattgefunden. Das befremdet mich schon ziemlich.