Die Mainstream-Blase
Vorbemerkung der Redaktion: Der Autor des folgenden Textes ist seit vielen Jahren Redakteur und Nachrichtensprecher beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und schreibt hier unter Pseudonym. Der Redaktion ist seine Identität bekannt. Er berichtet aus dem Innenleben einer Nachrichtenredaktion während der Corona-Krise. Multipolar ist auch an weiteren Stimmen von Insidern interessiert, die sich gern bei uns melden können. Vertraulichkeit wird gewährleistet.
Zu Beginn des jetzt schon denkwürdigen Jahres 2020 drängte sich ein Begriff ins öffentliche und private Bewusstsein, der immer mehr unser aller Leben bestimmen und überschatten sollte: Das „neuartige Corona-Virus“, auch SARS-CoV-2 genannt. Offiziell wurde der Name von der WHO am 11. Februar verkündet. Danach ging es Schlag auf Schlag. Zunächst sah ich die Bilder von Chinesen mit Masken nur in der Tagesschau, was kein so ungewöhnlicher Anblick war, doch bald erreichte Corona auch unsere Nachrichtenredaktion.
An dem Tag, als der erste Corona-Verdachtsfall in unserer Region auftauchte, wurde ich von unserer Nachrichtenchefin angehalten, das unbedingt als „Aufmacher“, also als erste Meldung in die nächste Nachrichtensendung zu nehmen. Damals war ich schon äußerst skeptisch und fand es maßlos überzogen, einen bloßen Verdachtsfall zum Aufmacher zu küren. Allerdings konnte ich mich der allgemeinen Aufgeregtheit um mich herum nicht entziehen und setzte die Meldung auf die „eins“. Ein ungutes Gefühl aber blieb und das sollte sich die nächsten Wochen noch massiv verstärken.
Es setzte nun eine Dynamik ein, die nicht mehr aufzuhalten schien. Immer mehr Verdachtsfälle, dann bestätigte Corona-Fälle, irgendwann der erste Tote in Deutschland, einige Zeit später der erste in unserer Region. Und immer mehr merkte ich, dass nicht nur Kollegen, sondern auch Menschen in meinem privaten Umfeld sich von einer diffusen Angst und sogar Panik anstecken ließen. Nicht dass ich die Todesfälle, die sogenannten „Corona-Toten“, abtat, aber hatten wir nicht bei jeder Grippewelle viele Todesfälle, vor allem unter den alten Menschen? Ich sah in unserem Archiv nach und fand, dass wir während der Grippewelle 2018 in drei Monaten nur eine Handvoll Meldungen dazu hatten. Dabei sollen damals mehr als 25.000 Menschen an der Grippe gestorben sein.
Schnell war das inzwischen berühmte Dashboard (Grafik) der Johns-Hopkins-Universität in allen Fernseh- und Online-Nachrichten zu sehen. Darauf wurden die sogenannten „Neuinfektionen“ einfach kumuliert. Mir wurde klar, dass die Grafik mit der permanent ansteigenden Kurve mehr psychologische Wirkung als sachliche Information enthielt. Auf diese Weise konnte die Kurve nie wieder sinken, im besten Fall würde sie waagerecht bleiben. Das schien aber niemanden zu stören.
Zur Grundausbildung eines Journalisten gehört, dass er Zahlen nie ohne sinnvollen Bezug meldet. Er muss immer auch Vergleiche, Bezüge und Verhältnismäßigkeiten liefern, damit der Zuschauer/Hörer/Leser die Information einordnen kann. Daran hielt ich mich über viele Jahre, und auch für andere Journalisten schien es eine Selbstverständlichkeit. Dieses Grundprinzip aber sah ich in den ersten Wochen der Pandemie sich praktisch in Luft auflösen. Absolute Zahlen, immer wieder nur absolute Zahlen, ohne sinnvollen Bezug. Bis zum heutigen Tag wird gerne erzählt, dass die USA das am schwersten von Corona heimgesuchte Land seien, mit dem bloßen Verweis auf die absoluten Infektions- und Todeszahlen, ungeachtet der Einwohnerzahl, zu der die Zahlen selten ins Verhältnis gesetzt werden.
Ein unheilvolles Bündnis
Auch unsere Nachrichtenredaktion übernahm mit einer schlafwandlerischen Selbstverständlichkeit all diese Zählweisen. Alles was von den Gesundheitsämtern, Landratsämtern und von der Landesregierung übermittelt wurde, wurde ohne Hinterfragen und ohne Zweifel so übernommen und vermeldet. Fast jegliche kritische Distanz verschwand, die Behörden wurden zu vermeintlichen Verbündeten im Kampf gegen das Virus.
Ich muss allerdings ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich niemals direkt von Politikern angerufen oder angeschrieben worden bin, um mich auf irgendeine Weise zu beeinflussen. Es kamen nur die üblichen Pressemitteilungen der Ministerien und Ämter, die natürlich aus deren Sicht der Dinge geschrieben sind. Auch bin ich nicht von Vorgesetzten unter Druck gesetzt worden, zumindest nicht direkt. Die ganze Sache ist weitaus subtiler, wie zu zeigen sein wird.
Im März begann die Politik mit den ersten Einschränkungen, so wurden Großveranstaltungen verboten und bald darauf der erste Lockdown verhängt. Bei fast allen Journalisten des „Mainstreams“, also der sogenannten „Leitmedien“, schien augenblicklich eine Beißhemmung gegenüber der Politik und den Behörden einzusetzen, auch in meiner Redaktion. Warum diese kritiklose Zurückhaltung bei den Journalisten? Ich kann es mir nur so erklären, dass vor allem die Bilder aus Bergamo und New York auch die erfahrenen Redakteure und Reporter in einen emotionalen Schockzustand versetzten, auch wenn sie das so vielleicht nicht zugeben würden. Aber auch sie sind nur Menschen, die selbst Angst vor Krankheit und Tod haben oder sich um ältere oder kranke Angehörige sorgen, das war immer wieder in Gesprächen mit Kollegen herauszuhören. Man scharte sich um die Regierung, das RKI und die Gesundheitsämter, als müsse man jetzt wirklich zusammenhalten, um diese schlimme, äußere Bedrohung zu bekämpfen. Man konnte doch jetzt den Verantwortlichen, die es eh schwer genug hatten, nicht noch Knüppel zwischen die Beine werfen, indem man ihre Maßnahmen grundsätzlich in Frage stellte – so oder ähnlich erschien mir die Haltung.
Auch bei uns war in Gesprächen immer häufiger zu hören, dass „die Regierung doch wirklich einen guten Job macht“. Die meisten waren fest davon überzeugt, dass der Lockdown und die Einschränkungen unserer Grundrechte notwendig und ganz sicher nur vorübergehend seien. Nur wenige skeptische Stimmen hörte ich.
Und dann waren da noch die TV-Interviews mit Politikern. Hochgeschätzte Journalistinnen und Journalisten, die im Gespräch dem Politiker XY eifrig nickend und auch verbal zustimmten, wenn der seine Einschätzung der Situation und seine Forderungen unterbreitete. Ich traute meinen Augen und Ohren nicht! Wie lautete der Leitsatz des legendären Fernseh-Journalisten Hanns-Joachim Friedrichs? „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“ Davon war nichts mehr zu sehen, von hartnäckig-kritischen Nachfragen meist auch nicht. Aber auch das schien niemanden zu stören, ja nicht einmal aufzufallen.
Ein Verfall der nachrichtlichen Sprache
In den Nachrichten aller Leitmedien, auch bei uns, starben plötzlich wichtige, kleine Worte wie „angeblich“, „vermeintlich“, „offenbar“ aus. Es hieß zum Beispiel in der Tagesschau, Twitter wolle „Falschinformation zu Corona“ künftig löschen. Da fehlt ganz eindeutig ein „angebliche“ oder „vermeintliche“ als Zusatz, denn so wird unterstellt, dass Twitter vollkommen zweifelsfrei beurteilen könne, was in Sachen Corona-Virus (oder generell) eine falsche und was eine richtige Information sei. Was natürlich absurd ist. Zuweilen machte ich Kollegen in der Nachrichtenredaktion auf solche Dinge aufmerksam und erntete manchmal sogar zustimmendes Kopfnicken, oft aber auch nur ratloses Achselzucken.
In der heutigen Zeit müssen Nachrichten kurz gefasst, leicht verständlich und interessant sein. Darauf wurden wir seit vielen Jahren getrimmt. Das hat sehr viele Vorteile, eben die bessere Verständlichkeit für den Konsumenten. Aber es gibt auch bedeutende Nachteile, nämlich dass die Meldungen immer plakativer geschrieben werden. Tiefere Zusammenhänge und Hintergründe oder auch komplizierte Differenzierungen fallen zunehmend weg. Die Kunst besteht darin, zu kürzen und wegzulassen.
Ab Frühsommer war zunehmend das Phänomen zu beobachten, dass das Corona-Virus und die Maßnahmen dagegen in den Medien gleichgesetzt wurden. So hieß es zum Beispiel: „Wegen der Corona-Pandemie nehmen die Kommunen deutlich weniger Steuern ein“, oder: „Die WHO befürchtet, dass durch die Corona-Pandemie eineinhalb Millionen weitere Menschen in Armut stürzen.“ Das ist falsch, denn nicht die Pandemie, sondern die Lockdowns bewirken dies, unabhängig davon, ob sie nun gerechtfertigt und angemessen sind. Indem das aber übergangen wird, werden die Anti-Corona-Maßnahmen der Regierungen zur alternativlosen Zwangsläufigkeit und nicht mehr in Frage gestellt. Die Ursache und damit der Sündenbock ist immer das Virus, nicht etwa die Politik. Auch bei uns schlich sich das ein. Hinweise von mir wurden zwar freundlich zur Kenntnis genommen, aber wirklich zu Herzen nahm sich das niemand. Ich hatte zwar durchaus die Freiheit, dies anders zu formulieren, jedoch schien der kleine, aber feine Unterschied wiederum niemandem aufzufallen.
Auch ist immer wieder davon die Rede, dass Covid-19-Patienten in den Intensivstationen „beatmet werden müssen“. Müssen? Sie werden beatmet, das ist der Fakt. Ob das medizinisch wirklich notwendig ist, muss der behandelnde Arzt entscheiden, und diese Frage ist durchaus umstritten. Es gibt eine Reihe von namhaften Experten, die vor einer zu schnellen Intubierung warnen. Also sollte man auch hier als Journalist neutral bleiben.
Die unsägliche Zahl der „Neuinfektionen“
Ich begann bereits im Frühjahr 2020 die Zählweise des RKI und damit auch der Regierung zunehmend in Zweifel zu ziehen. Ich machte meine Vorgesetzten darauf aufmerksam, dass sämtliche Zahlen wie die täglich gemeldeten „Neuinfektionen“ oder der „R-Wert“ im Grunde wertlos seien, wenn wir nicht die Zahl der durchgeführten Tests dazu in Bezug setzten. Man nahm das zwar zur Kenntnis, hielt aber keine weitere Überprüfung oder Nachfrage für nötig, denn der Trend der rasant steigenden Zahlen sei doch nicht zu verkennen, egal wie viel getestet werde, hieß es.
So stieg die Zahl der sogenannten „Neuinfektionen“ von KW 11 auf KW 12 von 8.000 auf 24.000. Ende März gab das Robert-Koch-Institut dann (nach mehrfachen Nachfragen von Multipolar) bekannt, dass im selben Zeitraum auch die Zahl der PCR-Tests von knapp 130.000 auf 350.000 fast verdreifacht wurde. Der relative Anstieg der Neuinfektionen war also bei weitem geringer als der absolute. Einen „exponentiellen Anstieg“ hatte es nicht gegeben.
Als dann im Frühsommer die Zahl der „Neuinfektionen“ immer weiter sank, wurde trotzdem von der Politik ständig die Gefahr der „zweiten Welle“ heraufbeschworen, wenn man in den Anstrengungen – sprich den grundrechtswidrigen Beschränkungen – nachlassen würde. Tatsächlich schlossen sich auch die meisten meiner Kollegen diesen Befürchtungen an, während mir – der nicht weniger medizinischer und epidemiologischer Laie war – ziemlich klar war, dass es im Sommer keine zweite Welle geben werde, dafür aber eine umso größere im Herbst/Winter, weil da eben grundsätzlich die Zahl der Atemwegserkrankungen stark ansteigt. Das war leicht absehbar.
Die ganze Geschichte mit den PCR-Tests und den angeblichen „Neuinfektionen“ wurde auch bis zum heutigen Tag von den Leitmedien nicht in Frage gestellt. Obwohl es mit der Zeit immer mehr Studien und Aussagen von virologischen und epidemiologischen Experten gab, die den PCR-Test und seine spezielle Verwendung scharf kritisierten, drang davon kaum etwas in unsere Mainstream-Blase. Überhaupt kein Thema waren die vermutlich viel zu hohen Ct-Werte bei den Tests, die einer möglichen Manipulation breiten Raum geben. Ich vermute, dass viele meiner Kollegen davon noch nicht einmal gehört haben.
Überhaupt werden in dem Zusammenhang die Begriffe immer wieder durcheinander geworfen. Viele Kollegen scheinen selbst nach zehn Monaten Corona noch immer nicht den Unterschied zwischen dem Virus SARS-CoV-2 und der Lungenkrankheit Covid-19 zu kennen. Auch werden „Infizierte“ (das heißt positiv Getestete) oft mit „Erkrankten“ gleichgesetzt, unabhängig davon, ob sie nun Symptome haben oder nicht. Auch der Begriff der „Genesenen“ wird kritiklos von den Behörden übernommen, obwohl der impliziert, dass die Betroffenen tatsächlich alle krank waren, was eben stark zu bezweifeln ist. Einerseits weil es höchstwahrscheinlich einen nicht zu unterschätzenden Anteil von falsch-positiven Testergebnissen gibt und andererseits, weil viele „Infizierte“ gar keine Symptome entwickeln und es insofern sehr fragwürdig ist, sie als Erkrankte zu bezeichnen
Selektive Wahrnehmung und Herdentrieb
In unserer Rundfunkanstalt waren inzwischen auch alle möglichen Regelungen eingeführt worden: Maskenpflicht, Abstände zwischen Arbeitsplätzen, viele Kollegen ins Home-Office verlegt, überall Desinfektionsmittel und so weiter. Dies und die regelmäßigen, unheilvoll klingenden Lage-Beurteilungen der Anstaltsleitung übten und üben natürlich immer noch einen psychologischen Einfluss und Druck auf jeden Mitarbeiter aus. Es wird auch hier eine subtile Angst aufgebaut, egal ob absichtlich oder unabsichtlich. Eine unsichtbare Bedrohung liegt buchstäblich in der Luft, vor der man sich nur schwer abschirmen kann. Dazu laufen im Nachrichtenredaktionsbüro und auch in anderen Büros Fernsehbildschirme, auf denen fast permanent Berichte über Corona gesendet werden. Überall Reporter, Bilder aus Intensivstationen, Fließtexte mit den neuesten, immer höheren Zahlen – man kann sich diesem Einfluss so gut wie nicht entziehen. Dazu kommen die Zeitungen und Agenturmeldungen, die auch ständig über Corona berichten, hier eine Studie, dort eine weitere apokalytische Warnung eines Politikers, und auch immer wieder schlimme Einzelschicksale, die besonders hervorgehoben werden.
Obwohl es auch bei uns tägliche Konferenzen gab und gibt, inzwischen zumeist per Telefon, wurde von Anfang an – zumindest bei den Konferenzen, bei denen ich teilnahm – niemals das geltende Narrativ der Bundes- und Landesregierung grundsätzlich in Frage gestellt, nämlich dass wir eine extrem gefährliche Pandemie haben, die nur mit harten staatlichen Maßnahmen einigermaßen kontrolliert und zumindest gebremst werden kann. Warum ist das so?
Jeder kennt sicherlich den Effekt der „selektiven Wahrnehmung“. Ist zum Beispiel man selbst oder die Frau schwanger, sieht man höchstwahrscheinlich auf der Straße immer mehr schwangere Frauen. Oder wenn man sich in jemanden verliebt, der eine bestimmte Automarke fährt, dann entdeckt man plötzlich diese Automarke, in der gleichen Farbe, permanent auf den Straßen. Dieser Effekt tritt auch im Journalismus auf.
Vor Jahren gab es zum Beispiel in Deutschland einen schweren Vorfall mit mehreren Kampfhunden, die ein dreijähriges Mädchen totbissen. Es gab damals große Betroffenheit, eine politische Diskussion über Konsequenzen setzte ein, eine „Wesensprüfung“ für Hunde und strengere Regeln für Hundebesitzern wurden gefordert, die Medien berichteten tage- und wochenlang darüber. Und in der gleichen Zeit wurden auf einmal mehr und mehr Fälle von Hundeangriffen gemeldet. Von der Polizei kamen plötzlich Berichte über selbst sehr geringfügige Vorfälle. Man hätte denken können, dass sich alle Hunde Deutschlands wie Hitchcocks Vögel zum Generalangriff verabredet hätten.
Was war passiert? Die allgemeine Wahrnehmung war sensibilisiert und extrem fokussiert worden, und zwar auf allen Ebenen. Ein Dackel biss im Park jemanden in die Wade, der meldete das sofort der Polizei und zeigte den Besitzer an, die Polizei gab die Meldung sofort an die Presse weiter, und die machte eine Nachrichtenmeldung daraus, obwohl es letztlich eine Lappalie war. Durch die alarmierte Grundhaltung und die verengte Wahrnehmung aller Beteiligen erhielt aber die Lappalie, die normalerweise unter den Tisch gefallen wäre, eine überdimensionierte Bedeutung. Und die Leser, Hörer oder Zuschauer merkten auf und dachten sich: „Schon wieder! Das häuft sich jetzt aber.“
Denselben Effekt kann man natürlich auch im Bereich der Meldungen über Kriminalität beobachten. Beim Mediennutzer kann zum Beispiel der Eindruck entstehen, dass die Situation im Land immer schlimmer und gefährlicher wird und dass man sich kaum mehr auf die Straße trauen kann. Dabei kann es sein, dass die reinen Statistiken zeigen, dass die Zahl der Gewaltdelikte insgesamt immer weiter zurückgeht. Das widerspricht dem subjektiven Eindruck, doch das beruhigt seltsamerweise kaum jemanden. Die Bilder und Berichte von einzelnen Schicksalen wiegen weitaus mehr als die nüchternen Zahlen.
Man ahnt, worauf ich hinaus will. In der Corona-Krise erleben wir meiner Meinung nach im Prinzip den gleichen Effekt in globaler, vollkommen übersteigerter und geradezu paranoider Dimension. Und das betrifft so gut wie jeden: Den einfachen Bürger, den Polizisten, den Journalisten, den Politiker und sogar den Arzt und den Wissenschaftler. Keiner ist per se davon frei. Außer er macht sich frei und wagt, eigenständig zu denken und über den Tellerrand hinaus zu schauen. Doch es herrscht eben ein weit verbreiteter journalistischer Herdentrieb. Die meisten Journalisten schauen in die Tageszeitungen, die jeden Tag in die Redaktion geliefert werden. Und natürlich sind das ausnahmslos Zeitungen, die zum Mainstream gehören: Welt, FAZ, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche und die regionalen Zeitungen. Am Abend wird „heute“ und die „tagesschau“ geguckt, danach die einschlägigen Talkshows, von Anne Will bis Maischberger. Auch dort ist fast ausnahmslos Mainstream zu finden. Wirkliche Kritiker des Corona-Narrativs werden grundsätzlich nicht eingeladen (Ausnahmen gibt es manchmal bei Markus Lanz).
Dennoch sind die Journalisten, die ich kenne, größtenteils der Meinung, dass dort durchaus kontrovers diskutiert wird. Sie merken aber nicht – mangels Vergleich – dass diese Kontroversen nur Feigenblatt-Diskussionen sind. Da wird nur diskutiert, wann und in welchem Maße es Lockerungen der Maßnahmen geben sollte, doch das Corona-Narrativ bleibt unangetastet. Das alles soll nicht heißen, dass es keine Krankheit und keine Todesfälle gibt, aber die Wahrnehmung dessen ist geradezu neurotisch übersteigert. Im Internet sind aus den letzten Jahren viele Berichte zu finden, die von völlig überfüllten Krankenhäusern, Intensivstationen am Limit und überforderten Krematorien erzählen. Bei entsprechender medialer Begleitung hätte man auch damals schon große Panik in der Bevölkerung erzeugen können.
Ein weiterer Effekt ergibt sich dadurch, dass die Medien inzwischen ihre journalistischen Inhalte alle auch online präsentieren. Dort sind sie für alle leichter und schneller abrufbar als das bei Zeitungen aus Papier und Sendungen im Radio oder Fernsehen der Fall wäre. Das heißt, dass diese Inhalte ganz leicht kopiert und übernommen werden können. Solange es sich nicht um persönliche, längere Berichte oder Kommentare handelt, sondern „nur“ um Nachrichtenmeldungen, ist es ein Leichtes, diese per copy paste in die eigenen Meldungen zu übernehmen, zumindest Teile davon. Immer wieder kann man bei verschiedensten Anbietern fast identische Formulierungen und Meldungen finden. Selbst wenn man nicht kopiert, ist man doch versucht, sich an der Themenauswahl der Kollegen von anderen Leitmedien zu orientieren.
Ein perfides Framing
Ob man das Corona-Virus mit den PCR-Tests überhaupt nachweisen kann, woher es letztlich kommt, wie gefährlich es nun wirklich ist und was die richtigen Maßnahmen dagegen sind – das kann ich auch nicht sicher sagen. Aber darum soll es hier auch überhaupt nicht gehen. Dass es da eine üble Krankheit gibt, dass Menschen daran sterben und dass man das ernst nehmen muss, das leugne ich in keinster Weise.
Und damit sind wir schon beim nächsten Reizwort, dem sogenannten „Corona-Leugner“. Ein Begriff, der seit dem Sommer immer mehr um sich greift und auch von den Mainstream-Medien inzwischen regelmäßig auf Kritiker der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen angewendet wird. Der Vergleich mit dem „Gottes-Leugner“ und dem „Holocaust-Leugner“ ist offensichtlich. Während der Begriff des „Gottes-Leugners“ zumindest in unserer Gesellschaft längst Geschichte ist, ist der Begriff des „Holocaust-Leugners“ noch aktuell und es ist kein Zufall, dass man den „Corona-Leugner“ unwillkürlich mit ihm assoziiert. Dass man Gott gar nicht leugnen kann, sondern nur an ihn nicht glauben, ist inzwischen breiter Konsens. Der „Holocaust-Leugner“ ist dagegen die einzige allgemein anerkannte Ausnahme, bei der Journalisten das Wort „leugnen“ verwenden. Es ist ansonsten nämlich tabu, zumindest sollte es das sein. Ganz einfach, weil es im Wortstamm „lügen“ enthält und damit eine Lüge unterstellt. Verantwortungsvolle Journalisten wissen, dass Angeklagte vor Gericht die Vorwürfe niemals leugnen, sondern bestreiten. Selbst nach einem rechtskräftigen Urteil sollte das so sein, denn auch Gerichte können irren und Prozesse können wiederaufgerollt werden.
Der Begriff „Corona-Leugner“ ist nun auf dreifache Weise infam. Erstens wegen der sprachlichen Ähnlichkeit mit dem sozial geächteten „Holocaust-Leugner“, zweitens weil den Corona-Kritikern damit pauschal angedichtet wird, dass sie die Existenz des Virus bestreiten (was bei den allermeisten nicht zutrifft) und weil ihnen zu schlechter Letzt auch noch unterstellt wird, bewusst zu lügen. Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern perfide und sorgt dafür, die Gräben in der Gesellschaft noch weiter zu vertiefen.
Ein ebenso äußerst zweifelhafter Begriff, der als diffamierendes Framing verwendet wird, ist der des „Verschwörungstheoretikers“. Er sagt im Grunde alles und nichts. Das kann einer sein, der an Chemtrails glaubt oder daran, dass die Mondlandung der Amerikaner nur inszeniert war, aber es kann auch einer sein, der einen Watergate-Skandal aufdeckt oder der behauptet (wie geschehen), dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen gehortet hat, und der später in seiner Annahme bestätigt wird. Im Grunde muss jeder investigative Journalist zu einem Teil auch ein Verschwörungstheoretiker sein, denn selbstverständlich wollen die Herrschenden dieser Welt nicht all ihre Umtriebe veröffentlicht haben und halten sie daher geheim. Insofern ist es einigermaßen grotesk, dass Medien diesen Kampfbegriff der Regierenden übernehmen und gedankenlos verwenden. Auch intern wird sich über angebliche Verschwörungstheoretiker lustig gemacht. Viele Kollegen amüsieren sich, dass das Irre seien, die glauben, dass Bill Gates zusammen mit Hitler auf der Rückseite des Mondes eine Impfstation aufmachen wolle. Oder ähnlich kindischer Unsinn.
Ein negativer Höhepunkt war dann auch die Berichterstattung der „Leitmedien“ über die großen Demonstrationen in Stuttgart, Leipzig und vor allem Berlin im Sommer. Das fing schon mit der Teilnehmerzahl an. Eigentlich ist es journalistisch üblich, bei Kundgebungen sowohl die Teilnehmerzahl der Polizei als auch die der Veranstalter (die naturgemäß immer höher ist) zu nennen. Am 1. August in Berlin aber klafften diese Angaben so derart weit auseinander, dass man stutzig werden musste. Die „Leitmedien“ lösten das Problem, indem sie ausschließlich die geringe Zahl von der Polizei übernahmen und die hohen Zahlen, die Veranstalter und Teilnehmer nannten, ignorierten. Wie hoch die Zahl nun tatsächlich war, ist bis heute unklar, aber auch hier handelten die Medien gegen journalistische Gepflogenheiten.
Waren nun einige wenige Rechtsradikale und Reichsbürger unter den Demonstranten, waren es viele oder dominierten sie sogar das Geschehen? In zahlreichen Videostreams war zu sehen, dass offenbar ein großer, wenn nicht überwältigender Anteil der Demonstranten aus der Mitte der Gesellschaft kam. Im Schnitt etwas älter, gebildet und aus bürgerlichen Verhältnissen. Dazu gibt es auch Umfragen und Studien, die das bestätigen. Natürlich lässt sich darüber streiten, aber auch bei uns in der Redaktion war die Sache klar: Der Fokus der Berichterstattung lag eindeutig auf den Rechtsradikalen und Reichsbürgern.
Ein Grund dafür ist auch in dem immer wichtiger werdenden Part der Online-Medien zu finden. Im Gegensatz zu Zeitungen, Fernsehen und Radio kann hier ganz genau analysiert werden, wie viele Zugriffe ein einzelner Beitrag hat, oder auch wie viele „Likes“ auf den Facebook-Seiten, die inzwischen auch alle Leitmedien betreiben. Das führt dazu, dass das Spektakuläre und vermeintlich Skandalöse immer mehr in den Vordergrund tritt, denn es verspricht mehr Aufmerksamkeit und damit mehr Klicks. Verschiedene Medienkritiker sagen, dass in unserer Gesellschaft zunehmend fast alles skandalisiert wird, jede noch so beiläufige Bemerkung. Wenn es so ist, dann liegt es sicherlich zum größten Teil an den „Leitmedien“ (inklusive deren Boulevard-Sparte).
Eine abgeschlossene Blase
Warum sind die „Mainstream-Medien“ eine abgeschlossene Blase? Weil sie ihre Informationen aus den immer gleichen, vorsortierten Quellen beziehen – und das sind zum großen Teil die Agenturen, die zur selben Blase gehören. Sie sind so etwas wie die Gatekeeper der veröffentlichten Meinung. Das war natürlich immer schon so, aber in der Corona-Krise wird es deutlich wie noch nie. Die großen Agenturen berichten überwiegend das, was das offizielle Corona-Narrativ stützt und was von den allermeisten Regierungen der ganzen Welt vertreten und umgesetzt wird.
Zum Beispiel werden fast nur Studien aus aller Welt vermeldet, die die Gefährlichkeit des Virus und die Wirksamkeit von harten, staatlichen Maßnahmen hervorheben. Eine chinesische Studie mit rund zehn Millionen Menschen in Wuhan, die als ein Ergebnis hatte, dass eine nicht-symptomatische Übertragung des Virus (auf dieser Annahme basieren im Grunde fast alle staatlichen Maßnahmen) so gut wie irrelevant ist, kam auch in den Agenturen nicht vor. Sie war nur in den alternativen Online-Medien zu finden. Dagegen wurde eine Studie der US-amerikanischen CDC vermeldet, die ein gegenteiliges Ergebnis als Tenor hatte. Zahlreiche Studien, die aufzeigten, dass Lockdowns der Regierungen so gut wie keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben, wurden von den Agenturen bislang ebenfalls ignoriert.
Für mich in meiner Arbeit bedeutet das, dass ich irgendwelche Studien oder Informationen, die ich selbst im Internet finde, nicht verwenden kann, denn mir würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgeworfen, mich einer unsicheren Quelle zu bedienen. Würden aber dpa, AP, AFP oder Reuters die Studie vermelden, wäre ich quasi auf der sicheren Seite und könnte es vermelden. Bei Nachfragen würde ich auf die Agentur verweisen. Das könnte zwar immer noch Diskussionen geben, ob die Studie glaubwürdig ist und ob es eine Meldung wert ist, aber das wäre im Rahmen eines üblichen journalistischen Entscheidungsprozesses.
Ja, es kommt durchaus immer wieder vor, dass auch in den Leitmedien kritische Experten oder Politiker interviewt werden oder das RKI und die Bundesregierung kritisiert werden. Aber meist sind es doch nur Feigenblätter und sie gehen auch nicht wirklich zum Kern der Sache. Es gibt Aussagen von führenden Chefredakteuren der Öffentlich-Rechtlichen, die besagen, dass Leute wie Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi grundsätzlich nicht in Talk-Shows zu dem Thema eingeladen werden. Die Blase soll möglichst dicht bleiben.
Ein Versuch einer Erklärung
Immer wieder mache ich mir Gedanken, warum fast alle meiner Kollegen so bereitwillig und kritiklos dieses Narrativ von Regierung und von (wenigen von der Regierung ausgesuchten) Wissenschaftlern übernehmen und weiter verbreiten. Wie schon erwähnt, spielt sicher die Sorge um die eigene Gesundheit oder die von Angehörigen eine Rolle. Aber es ist noch mehr. In den letzten Jahren hat sich zunehmend etwas herausgebildet, was „Haltungsjournalismus“ genannt wird. Es ist eine intellektuelle und moralisierende Überheblichkeit, die sich meiner Meinung nach immer mehr verbreitet. Man gehört einfach zu den „Guten“, zu denen, die auf der „richtigen Seite“ stehen. Man glaubt, den ver(w)irrten Bürger belehren zu müssen. Es geht nicht mehr um Neutralität, sondern darum, die „richtige Sache“ zu vertreten, und erstaunlich oft deckt sich das mit den Interessen der Regierung. Der oben erwähnte Satz von Hanns-Joachim Friedrichs ist inzwischen sogar völlig umgedeutet worden, im Sinne des „Haltungsjournalismus“.
Das aber entfremdet die Journalisten zunehmend von einem guten Teil ihrer Klientel. In den 90er Jahren wurde uns Reportern, Redakteuren und Moderatoren der rote Teppich ausgerollt, wenn wir irgendwo im Land bei den Menschen auftraten. Heute müssen wir fast schon froh sein, wenn nicht „Lügenpresse!“ gerufen wird. Natürlich ist dieser Begriff falsch und aufgrund seiner Geschichte abzulehnen, aber an der zunehmenden Entfremdung haben wir Journalisten einen großen Anteil.
Der oben genannte „Haltungsjournalismus“ trifft fairerweise gesagt nur auf einen Teil der Journalisten zu, zumeist aber auf deren prominente Vertreter. Viele meiner Kollegen scheinen eher mit der Komplexität der Thematik überfordert. Nicht intellektuell, sondern eher, weil die Zeit fehlt, sich in diese Dinge neben der täglichen Routine-Arbeit hinein zu graben. Geht auch schlecht, wenn man am Abend noch Homeschooling mit den Kindern machen muss. Anderen fehlt schlichtweg das Interesse für die Thematik.
Ein Grund ist auf jeden Fall die Angst, durch allzu kritische Äußerungen zu negativ aufzufallen. Die sich selbst verstärkende Eigendynamik der Mainstream-Blase sorgt dafür, dass eben kaum jemand gegen den Strom schwimmen will. Obwohl ein guter Teil der Redakteure fest angestellt ist, ist die Sorge vor Konsequenzen groß. Wie ich an mir selbst beobachten kann.
Ein grundsätzliches Problem an der Mainstream-Blase ist, dass sie das, was außerhalb der Blase ist, entweder ignoriert, ausblendet oder eben aus der Blase heraus wahrnimmt und interpretiert. Und so kennen die meisten Mainstream-Journalisten die Aussagen und Positionen von kritischen Denkern wie Wodarg und Bhakdi (um nur zwei von vielen zu nennen) wiederum nur aus Berichten der Mainstream-Medien, die natürlich entsprechend gefärbt sind. Kaum einer macht sich die Mühe, wirklich selbst aus den zahlreichen alternativen Quellen zu schöpfen.
Ein Nachwort
Dieser Bericht ist selbstverständlich nur eine subjektive Einschätzung. Die meisten meiner Journalisten-Kollegen würden das völlig anders sehen. Allerdings geht es mir hier nicht so sehr um eine Beurteilung der Gefährlichkeit des Corona-Virus oder die Angemessenheit der staatlichen Maßnahmen. Mir geht es darum, dass in der Corona-Krise meiner Ansicht nach zunehmend journalistische Standards und Grundsätze über Bord geworfen wurden, wie ich versucht habe, zumindest anzudeuten. Das wiederum sorgt dafür, dass die Medien als demokratisches Korrektiv quasi bedeutungslos geworden sind, was wiederum den Machtbestrebungen großer Teile der Politik in die Hände spielt.
George Orwell soll gesagt haben, dass Journalismus ist, wenn man etwas veröffentlicht, was jemand nicht veröffentlicht haben möchte. Alles andere sei Propaganda. Gemessen an diesem Anspruch muss man leider sagen, dass die Mainstream-Medien in der Corona-Krise zu 99 Prozent nur Propaganda liefern.
Ich selbst hege für mich die naive Hoffnung, doch noch etwas bewegen zu können, auf welche Weise auch immer, denn an und für sich ist Pressefreiheit ein äußerst wichtiges Gut einer demokratisch-freien Gesellschaft. Daran glaube ich noch immer.
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