Zitat: Thomas schrieb:
Aus einer Meinung von jemandem wurde ein jemand, der herabgewürdigt wird, weil seine Meinung nicht geachtet wird.
Wie kann sich jemand herabgewürdigt fühlen, wenn seine Meinung nicht geachtet wird? Doch wohl nur dadurch, dass er glaubt, diese Meinung würde ihn ausmachen, oder nicht?
Zitat:Ach komm Thomas, dass das Hirngeschwurbel ist, weißt du. Sag mal jemanden: Ich hasse nicht dich, nur deine Dummheit. oder: Ich lache nicht über dich, sondern nur über deinen schlechten Geschmack. Und tadele ihn dann, dass er die Aussagenicht fein genug unterschieden hat, wenn er sich aufregt.
Nein, das meine ich vollkommen ernst!
Jemand, der weiß, dass er nicht seine Persönlichkeit ist, wird es immer weniger ernst nehmen, wenn jemand versucht ihn zu beleidigen. Und ich weiß, dass ich nicht meine Persönlichkeit bin. Ich weiß es daher, dass ich sie beobachten kann und was man beobachten kann, kann man nicht selbst sein. Denn wer wäre dann der Beobachter?
In der Praxis ist das aber so, dass es sich nicht um ein plötzliches Umschalten handelt sondern um einen
Prozess der Identitätsverschiebung. Es gibt durchaus Persönlichkeitsmerkmale, von denen zu lösen es schwer ist und welche, die sich recht leicht verabschieden lassen - das ist sehr individuell. Man darf nicht vergessen, dass die Überzeugung, dass ich dies oder das bin, eine große Macht darstellt.
Zitat:Eigentlich kann man auf dieser Grundlage jede Unverschämtheit raushauen und ist damit immer im Recht, weil man den anderen ja gar nicht meint.
Das würde ich aber nicht tun, weil es ja nicht per se in meiner erklärten Absicht liegt, jemandem unangenehme Gefühle zuzufügen. Es kann aber durchaus vorkommen, dass die Bindungen der Persönlichkeit eine solche Macht entwickeln, dass ich darunter einknicke und mich plötzlich in einer Situation wiederfinde, von der ich anschließend sagen muss: Das war jetzt doch dazu gedacht, dem anderen eine reinzuwürgen. Ich kann aber andererseits auch sehr deutlich feststellen, dass sich die Bindungen zur Persönlichkeit tatsächlich auflösen lassen und Überzeugungen, die einmal eine große Rolle spielten, heute überhaupt keine mehr spielen.
Als am schwierigsten stellen sich jene Überzeugungen heraus, die mit dem Körper zusammenhängen. "Ich bin ein Mann" z.B. Eine Überzeugung, die dem Penis eine mächtige Bedeutung verleiht.
Überraschenderweise ist aber auch diese Überzeugung nicht so schwer aufzugeben, wie es den Anschein hat.
Zitat:Tatsache ist auch, dass die Summe unserer Meinungen und Ansichten und Glaubensfragen unsere Persönlichkeit zum Gutteil ausmacht. Aber da sind wir wieder an dem Punkt, an dem du Persönlichkeit leugnest oder als illusionär beschreibst und ich nicht.
Nun ja, das stimmt natürlich, besonders der erste Satz. Es sind tatsächlich Meinungen und Überzeugungen, die die Überzeugungskraft unserer Persönlichkeit ausmachen.
Aber wenn du nun überlegst, dass solche Überzeugungen z.B. durch die frühe Kindheit in dich hineinkamen und dass es möglich ist, diese in einer Therapie z.B. auch wieder in Frage zu stellen, so dass sie dann eben nicht mehr geglaubt werden und dann auch tatsächlich wirkungslos werden....
Wenn du das überlegst und akzeptierst, dann gibt es bereits ein starkes Indiz dafür, dass Persönlichkeit nicht diese Deutungsmacht haben kann zu sagen: Das ist Marty. Denn Marty kann eine Überzeugung loswerden und ist immer noch Marty. Oder ist Marty dann gar nicht mehr Marty? Oder ist Marty vielleicht derjenige, der eine Überzeugung los wurde?
Vor allem ist es die Überzeugung "Ich bin die Persönlichkeit", die jedem Versuch, die Persönlichkeit als relativ anzusehen, einen Riegel vorschiebt. Wer würde sich selbst demontieren wollen?
Es lohnt sich, genau zu bedenken, ob es nicht stimmt, wenn gesagt wird, dass diese Persönlichkeitsmerkmale vor allem deshalb als so real erscheinen, weil wir sie einfach glauben. Und wenn wir sie nicht mehr glauben, dann sind sie auch schon nicht mehr so real. Möglicherweise bist du ganz unnötigerweise in einer Persönlichkeitsstruktur gefangen, weil du selbst dich so definierst.
Zitat:Nur, wie äußert sich der Unterschied zwischen mir und dir? Gibt keinen, weil du genauso angefressen reagierst, wie ich oder Paul Brause, wenn deine Meinung angegfriffen wird. Du hast ja den Glauben schon "herabgewürdigt" gesehen, als ich unspezifisch alle Gurus als blöd tituliert habe :)
Nein, ich reagiere nicht grundsätzlich angefressen, wenn meine Meinung angegriffen wird. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass es nur eine Meinung ist und es geschieht immer seltener, dass ich dem eine Bedeutung beimesse, ob sie nun akzeptiert oder angegriffen wird. Trotzdem kann das geschehen, ja. Es ist ein Prozess, wie ich schon sagte. Ob die Deutung "Angriff!" geschieht oder nicht, hängt davon ab, ob ich gerade im Beobachter bin oder ob ich ihn vergessen habe.
Aber ich habe mich bspws. überhaupt nicht dadurch angegriffen gefühlt, als du von den blöden Gurus sprachst.
LG
Thomas