(30.08.2017, 09:00)ParaDoxa schrieb: Ja, Martin, du hast so gut wie nichts ausgelassen.
Meine Frage wäre dennoch; kann ich selbst bestimmen was mich triggert? Immer wird das ganz sicher nicht gehen, allein wegen unserer Schatten und Verletzungen die zu erlösen sinnvoll sind.
Ob uns etwas emotional anspricht, erheitert, traurig macht, wütend macht, oder triggert unterliegt im ersten Impuls überhaupt keiner Kontrolle. Wenn wir zum Beispiel einen Anruf mit der Nachricht erhalten, das ein lieb gewonnener Mensch verstorben ist reagieren wir mit Trauer oder Bestürzung. Da gibt es nicht mal den Gedanken daran irgendwas anderes empfinden zu können als das was in dem Moment aufkommt und selbst wenn versuchen würden mit Heiterkeit darauf zu reagieren würde uns das auf keinen Fall gelingen. Ein spontanes Gefühl ist also so unvermeidbar wie Juckreiz, Haarausfall oder Schluckauf. Wir werden ins uns keine Instanz finden, die auch nur das Gefühl aufkommen lässt durch einen freien Willen die entsprechende Situation veranlasst zu haben. Es passiert einfach.
Langfristig gesehen verhält es sich etwas anders. Wir gewinnen den Eindruck das es unserer eigenen Wahl unterliegt, ob wir die Emotionen nah an uns heran lassen, ob und wie wir das Gefühl verarbeiten, in wie fern wir gegen steuern, es zu lassen, ignorieren oder ablehnen. Doch diesen Eindruck zu untersuchen ist schon viel tiefgründiger und in spiritueller Hinsicht essentiell. Den vermeintlich freien Willen, der auf diese Art erscheint betrachte ich auf zwei Ebenen. Das Ich hat einen freien Willen, aber es gibt kein Ich. Diese Ich hier ( und das trifft wohl auf jeden zu ) verhält sich so, als hätte ich immer die Wahl. So fühlt es sich für das Ich auch an und das ist seine alltägliche Erfahrung. Die Idee des unfreien Willens ( auch aus dem Advaita ) scheint dem was gelebt wird zu widersprechen. Aber es widerspricht nur der Erfahrung aus der Ich-Perspektive. Das Ich ist jedoch dem Sein als Ganzes untergeordnet. Es ist wie ein Zahnrad im einem großen Uhrwerk, das mit einem eigenen Bewusstsein ausgestattet, von sich selbst den Eindruck hat seine Richtung und Geschwindigkeit zu bestimmen. Und doch fällt es ja nicht schwer anzuerkennen, das alle vermeintlichen Entscheidungen ursächlich im „Gesamtkunstwerk“ liegen. Das Ich hat sich nicht selbst erschaffen und es wird in der Art wie es agiert und reagiert immer davon abhängig sein, wie es beschaffen ist, welche Erfahrungen es gemacht hat, wie es konditioniert ist usw.
Trotzdem bin ich kein Hardcore-Verfechter des unfreien Willens. Für mich hat dieser scheinbare Widerspruch eine wunderschöne Magie. In der normalen Praxis würde ich ein Triggern zunächst zu lassen. Da bleibt eh nichts anderes übrig, wenn es aufkommt. Ich denke es bringt einfach nichts so tun als würde etwas nicht existieren, wenn es offensichtlich erscheint. Im weiteren Verlauf würde ich aber schauen, ob es mir hilft, ob ich etwas daraus lernen kann oder ob ich mich damit nur belaste und in wie fern es nützlich sein könnte. Diese Fragen sind sicher nicht so einfach zu beantworten.
Grundsätzlich bin ich eher resistent gegen vermeintliche Angriffe von außen, weil mir meine Zeit viel zu Schade ist um mein Leben mit Ärger und bad Vibrations zu belasten und weil ich dann auch wieder die Perspektive der Uhr, statt die des Zahnrads annehme und aus dieser Sicht heraus keinen lang anhaltenden Groll für die Zahnräder neben mir aufrecht erhalten kann. Dieses Ich hier ( und natürlich ebenso alle anderen Ichs ) folgen letztlich nur ihrer Bestimmung. Leider sind die meisten Zahnräder blind dafür, aber auch das ist am Ende das was die große Uhr bestimmt. Das mit dem Ärger über Andere wäre damit leicht überwunden, aber bevor ich mich frage ob ich meine eigene Gefühlswelt, ausgelöst durch ein Triggern, verändern kann überlege ich auch, ob ich das überhaupt sofort will, oder ob ich mir das Gefühl noch eine Weile anschauen mag.
Ich meine wir sollten nicht unbedingt versuchen jedes Gefühl das uns nicht behagt sofort nieder zu zu stampfen. Erstmal ist es ja da und vielleicht kann es uns etwas wichtiges sagen. Bevor ich also etwas los lasse, nehme ich erst mal die Tatsache an, das es da ist. Wie es dann weiter geht wird man sehen. Oft entsteht so eine ganz natürliche Gelassenheit und man kommt in die Rolle als Zuschauer der Ereignisse. Man schaut dem Ich und dem Leben zu. Nicht krampfhaft unverkrampft, sondern akzeptierend, liebend, demütig und in der Gewissheit, das am Ende nur dieser eine Weg der ist, der sein soll. Über das große Warum macht sich nur das Ego Gedanken und das ist das magische Ich, das es nur in einer Vorstellung der Trennung vom Ganzen gibt.
Es ist nicht so einfach zu beschreiben, aber ich negiere weder die Einheit noch die Person in seiner Individualität. Wie ich an anderer Stelle schon ähnlich ausgeführt habe war auf meinem Weg die Versöhnung zwischen Gott und Ego von großer Bedeutung. Die absolute Ichlosigkeit ist das Maximum an Befreiung und ein Zustand, der sich mit nichts anderem vergleichen lässt. Tatsache ist aber auch, das diese Ich als Erscheinung unvermeidlich aufkommt und da ist es einfach nur Ignorant diesen Aspekt des Göttlichen zu verleugnen. Das für mich schwierigste auf dieser Reise war eindeutig die Sehnsucht nach einem dauerhaften Zustand der Erleuchtung, nach dem das SEIN mir einmal eine Kostprobe von der Wahrheit gab. Am Ende hat mich das Demut gelehrt. Das war eine wertvolle Letkion.
Jetzt bin ich vielleicht etwas ausschweifend vom Thema abgekommen. Schlussendlich will ich zu deiner Frage nur sagen: Du kannst gar nichts bestimmen, weil das Ich im Kern nichts als Illusion ist. Aber es ist eine magische Illusion und die will gelebt werden. Also mein liebes, schau dir alles an und agiere so als würdest du über das Leben bestimmen. Auf der Ebene des Ichs ist das ja auch möglich und diese Perspektive ist das was jetzt in Erscheinung treten will. Also negiere nicht dieses Spiel, nicht deine Gefühle und schau dir ruhig an, welche alten Verletzungen getriggert werden. Medizin schmeckt manchmal bitter, aber sie zu verschütten hat auch noch niemandem geholfen.